Getreu dem Motto, wieso eine Story nur einmal ausschlachten, wenn man einen Monat mit ihr füllen kann, hat die Vanity Fair den nächsten Ableger der Titelgeschichte veröffentlicht. Diesmal spricht Kathleen Kennedy über die Großartigkeit des Schlangestehens und Steven Spielbergs Super-8-Filme:
Der Krieg der Sterne asiert wohl mehr als jede andere Filmreihe dieser Größenordnung auf den Ideen eines einzigen Menschen. Der noch dazu ein ziemlicher Kontrollfreak war, also wie macht man einen echten Krieg der Sterne ohne George Lucas?
Ich glaube, man muss dazu letztlich ein Kernprinzip berücksichtigen, nämlich eine persönliche Herangehensweise zu finden. J. J. musste diesen Film zu seinem persönlichen Projekt machen, und selbst Rian Johnson wird eine persönliche Sichtweise entwickeln müssen, wenn er sich Episode VIII zuwendet. George hat es genauso gemacht. Er hat einen Film gedreht, der ihm etwas bedeutet hat. Und ich glaube, die größte Herausforderung für jeden, der in seine Fußstapfen tritt, wird es sein, sich nicht ewig mit der Frage herumzuschlagen, was andere Leute von dem Film denken werden, sondern, was der Film ihnen selbst bedeutet und was er mit ihnen persönlich zu tun hat. Meines Erachtens kommen große Filme nur dann zustande, wenn ihre Schöpfer und die Geschichte, die sie erzählen wollen, auf diese Weise miteinander verwoben sind. Das Publikum kann nur dann emotional reagieren, wenn eine persönliche Leidenschaft des Filmemachers sichtbar wird.
Und in diese Richtung versuche ich in unsere Filmemachern zu dirigieren: Macht euch keine Sorgen. Ihr seid Hardcore-Fans. Ihr respektiert George Lucas und seine Schöpfung, den Krieg der Sterne, doch schon längst. Viele Leute, die jetzt zu uns stoßen, wissen 10mal mehr über diese Filme als ich. Und das ist phantastisch, weil hier diese enorme Anziehungskraft deutlich wird, die George mit seiner mythologischen Herangehensweise geschaffen hat. Das passiert nicht einfach nur deshalb, weil diese Filme so erfolgreich sind, sondern weil sie Menschen tief, tief drinnen berühren. Die Filmemacher, die mit diesen Filmen aufgewachsen sind, haben sie als die bedeutungsvollsten und wichtigsten Filme ihres Lebens wahrgenommen, die ihre Karriere entscheidend beeinflusst haben. Jetzt aber müssen sie den großen Schritt tun vom Fan hin zu der Frage: Und wo findest Du Dich in dieser Welt? Denn andernfalls produziert man nur einen bloßen Abklatsch, und das will niemand.
Sie haben über die Jahre an vielen Filmen gearbeitet, die die Menschen bewegt haben. Der Krieg der Sterne tut das allerdings auf einem Niveau, an das so gut wie nichts heranreicht.
Das stimmt, und es ist interessant, dass unsere Populärkultur dieser Tage nicht allzu viel hervorbringt, das die Menschen tatsächlich erreicht, von viralen Entwicklungen im Internet einmal abgesehen. Wir erleben die meisten, auch kollektiv einflussreichen Dinge auf ganz persönliche Weise, während der Krieg der Sterne tatsächlich gemeinsam in den Kinos erlebt worden ist. So etwas passiert heute im Grunde gar nicht mehr, bzw. wenn es passiert, dann eben auf andere Art und Weise. Und meines Erachtens ist das ein nicht unwesentlicher Aspekt dieser emotionalen Nostalgie, die wir mit dem Krieg der Sterne verbinden. Viele Menschen wollen dieses Gemeinschaftsgefühl noch einmal erleben, und das trägt enorm dazu bei, dass sie - wie jetzt - dem neuen Film so entgegenfiebern.
Wir haben sogar darüber gesprochen, den Film zu Ticketpreisen von 1977 ins Kino zu bringen, diese langen Schlangen um das Kino herum wieder aufleben zu lassen. Könnten wir das schaffen? Könnten wir das zurückbringen?
Bob Iger wäre von den alten Ticketpreisen wohl nicht begeistert, aber die Idee ist toll.
Weil die Leute tatsächlich darauf brennen, diese Erfahrung noch einmal zu machen. Ich weiß noch, als wir Jurassic Park oder E.T. in die Kinos brachten: Das waren praktisch Rockkonzerte, so fühlte sich das in den Kinos an. Die Leute haben das Schlangestehen als Teil des Erlebnisses wahrgenommen. Sobald man die Schlange sah, dachte man sich: Ja, ich bin Teil von etwas, an dem jeder teilhaben möchte. Ich glaube, die Leute vermissen das. So schön es auch ist, mit dem Handy Kinokarten zu reservieren, aber dieser Kampf, irgendwie ins Kino hineinzukommen, hat schon etwas an sich, das man sich zurückwünscht.
Sie sind der ideale Mensch, um diese Frage zu beantworten: Es scheint, dass die wirklich erfolgreichen Akteure der Populärkultur, Leute wie Steven Spielberg oder George Lucas, letzten Endes nur die Filme machen, die sie machen wollen, und dass sie jeweils in erster Linie Glück hatten, damit einen Nerv zu treffen. Kommerzielle Überlegungen haben sie sicher auch angestellt, aber in erster Linie ging es ihnen doch darum, für sich selbst Filme zu machen, oder?
Das sehe ich auch so, keine Frage. Ich habe das bei George und Steven gesehen. Genau das meinte ich vorhin: Filme müssen persönlich etwas bedeuten. Jedes Einzelbild ist Ausdruck von etwas, das ihnen persönlich wichtig ist. Ihre Authentizität strahlt von der Leinwand herunter. Und ob das funktioniert oder nicht, ist für sie nicht wesentlich. Sie sind tatsächlich Künstler, die zu kommunizieren versuchen, wie sie die Welt empfinden.
George hat in wachsendem Maße versucht, im Krieg der Sterne politische Themen aufzugreifen, weil ihn der Stand der Welt frustriert hat. Und die Fans können sich das ansehen und dann schauen, ob sie damit etwas anfangen können oder nicht, aber für George war das ohne jeden Zweifel ein wesentliches Thema. Ihm bedeutete es viel, und er hatte jedes Recht, es in den Mittelpunkt zu rücken. Es war seine Geschichte, und er hat sie genau so eingesetzt, wie es ihm persönlich wichtig war.
Sie und J. J. Abrams kennen sich nun schon seit fast 30 Jahren. Wie haben Sie ihn damals kennengelernt?
Ich arbeitete damals für Steven und bekam eines Tages einen Anruf. Ein Mann aus Arizona, er lebte in einem Haus auf dem Lookout Mountain, hatte in seinem Keller eine eingestaubte Schachtel gefunden und sagte mir, sie sei voller privater Filme, und er glaube, sie gehörten Steven Spielberg. Zynisch wie ich bin, dachte ich zuerst, er will irgendwie Geld damit verdienen, also reagierte ich so desinteressiert wie möglich: Aha, so so, das ist interessant. Wir drehen gerade auf dem Universal-Gelände, vielleicht kommen sie vorbei, geben die Schachtel ab, und wir schauen uns an, ob sie wirklich Steven gehört. Also lege ich auf, gehe zu Steven und frage ihn, ob er mal auf dem Lookout Mountain gewohnt hat. Und er: Ja, habe ich. Okay, der Mann hat sich also nicht alles ausgedacht, also sage ich Steven: Jemand glaubt, er könnte Deine alten Filme gefunden haben. Er ist völlig aus dem Häuschen, weil er seine alten Super-8-Filme, die er mit 15 oder 16 gedreht hat, längst abgeschrieben hatte. Er hatte sie verloren und keine Ahnung, wo sie stecken könnten.
Der Mann kommt also an, seine Schachtel hat er mitgebracht, und er ist einfach nur unglaublich nett. Er gibt uns die Schachtel, und tatsächlich: Es sind die alten Filme von Steven. Und justament an diesem Morgen hatte ich in der LA-Times einen Artikel über zwei Jugendliche gelsen, die einen Filmpreis gewonnen hatten und deren Filme nun im Nuart-Kino liefen. Ich sagte also zu Steven: Wäre es nicht toll, wenn Du diese Beiden anheuerst, um Deine Filme zu reinigen und auf Band zu überspielen? Dann verlierst Du sie nie wieder, und die Beiden wären sicher begeistert, Dich kennenzulernen. Diese beiden Jungs waren J. J. Abrams und Matt Reeves, der gerade erst Planet der Affen: Revolution gedreht hat.
Sie kamen dann zu uns, 15 oder 16 Jahre alt, und haben am Ende tatsächlich diese alten Super-8-Filme gereinigt. Und seitdem sind wir in Kontakt geblieben: Unsere Kinder gingen in die gleiche Grundschule, wir haben JJs Karriere im Auge behalten, und als er dann zusagte, Krieg der Sterne machen zu wollen, schloss sich der Kreis. Entweder es war ein unglaublicher Zufall oder tatsächlich Schicksal.
Hoffen wir auf etwas mehr zu Episode VII im nächsten Vanity-Fair-Bonusartikel...
Danke an Florian für den Hinweis.
Seite 1 2 3
nächste Seite »
Seite 1 2 3
nächste Seite »
RSS-Feed für diesen Kommentarthread abonnieren
RSS-Feed für alle Kommentare