Update zur Originalmeldung vom 6. Mai, 0:02 Uhr
Drei Fragen und Antworten aus dem Interview der Vanity Fair mit J. J. Abrams gab es gestern, heute liefert das Magazin dreieinhalb weitere nach. Da diese zwischen die bereits bekannten gehören und nicht einfach davor oder dahinter, haben wir das Interview entsprechend erweitert und die neuen Fragen kursiv markiert.
Sie haben schon mehrfach erwähnt, dass Sie den Versuch unternehmen wollen, den Geist und die Atmosphäre der klassischen Trilogie einzufangen, die sich nicht zuletzt durch eine Hintergrundgeschichte auszeichneten, die angedeutet, aber nie erklärt wurde. Das Publikum wurde eigentlich völlig unvorbereitet in diese Welt gestoßen, durch beiläufige Erwähnungen der Klonkriege und ähnliches, die durch die Prequels durchaus einen Teil ihres Unterhaltungswertes verloren haben.
Einer der unglaublichen Aspekte am Krieg der Sterne ist, dass Vader im ersten Kinofilm zwar durchaus Lukes Vater hätte sein können, es aber damals eben noch nicht war. Leia hätte seine Schwester sein können, war es aber auch noch nicht, und was mit dem Imperium los war, war ebenfalls nicht klar. Man verstand nicht wirklich, was es bedeutete, dass es einen Senat gab oder was es hieß, dass es dunkel wurde in der Welt, oder was viele andere Anspielungen sollten, aber man hat doch die Präsenz dieser Ereignisse und Elemente gespürt, weil sie auf eine Weise angesprochen wurden, die einem die Möglichkeit gab, für sich im Geiste diese Lücken auch zu füllen. Und das ist ein sehr machtvoller Faktor.
Ihr Film spielt um die 30 Jahre nach Die Rückkehr der Jedi-Ritter. Wird man ihm diese Lücke hinsichtlich der Ereignisse im Krieg-der-Sterne-Universum, bzw. den bewussten Versuch, sie zu füllen, anmerken?
Das Schöne ist, dass wir natürlich eine Menge Zeit hatten, uns auch darüber zu unterhalten, was abseits der Geschichte geschieht, die wir im Film erzählen. Es gibt also selbstverständlich Verweise auf andere Ereignisse. Einige davon sind recht gut versteckt, aber die Zuschauer können sich hoffentlich trotzdem ein Bild machen, wovon die Figuren jeweils sprechen. Wir hatten ursprünglich mehr Anspielungen vorgesehen, aber vieles davon ist wieder rausgefallen, weil es zu gewollt wirkte. Diese Anspielungen müssen, das ist jedenfalls meine Meinung, auch tatsächlich etwas bringen und nicht einfach nur da sein, damit man irgendwann einmal eine Trickserie oder einen weiteren Film daran festmachen kann. Ob wir am Ende richtig abgewogen haben, muss das Publikum entscheiden.
Sie sind an diesem Film als Autor, als Regisseur und als lebenslanger Fan beteiligt. Wie haben Sie das erlebt?
Das wohl eigenartigste Erlebnis hatte ich Monate, nachdem die Dreharbeiten abgeschlossen waren. Ich setzte mich zum ersten Mal mit John Williams zusammen, um ihm etwa eine halbe Stunde des Films zu zeigen. Das Gefühl kann ich nicht beschreiben, aber um mal die Fakten auf den Tisch zu legen: Ich zeige John Williams 30 Minuten eines Krieg-der-Sterne-Films, die er noch nicht gesehen hat und bei denen ich Regie geführt habe. Viel surrealer wird es meiner professionellen Ansicht nach nicht mehr werden.
Die ersten drei Filme haben die alten Kinoserien der 30er, Western und alte Kriegsfilme aufgegriffen und wirkten dadurch zwar nicht direkt trashig oder B-Film-artig, aber sie nahmen sich auch nicht immer hundertprozentig ernst. Ist das ein Faktor, den Sie in Ihrem Film aufgreifen werden?
Um ehrlich zu sein, bin ich nicht der Ansicht, dass sich diese Filme nicht ernstgenommen haben. Ganz im Gegenteil: Alle Darsteller haben das Material hundertprozentig ernsthaft mit Leben erfüllt. Aber natürlich sind ihre dargestellten Figuren amüsante Leute. Wenn man sich mal ernsthaft ansieht, was Mark Hamill in seinen ersten Szenen mit R2 und 3PO tut und wie er seine Rolle spielt, dann ist das eine Meisterleistung, und noch dazu eine, die völlig unterschätzt wird.
Natürlich steckt gerade im ersten Film unglaublich viel und guter Humor, aber dieser Humor ist für mich keineswegs so eingefügt, dass dadurch die Ernsthaftigkeit und innere Geschlossenheit dieses Universums in Frage gestellt wird und die vierte Wand durchbrochen oder auch noch angebohrt würde. Han Solos Selbstsucht wird komplett ernsthaft dargestellt, Lukes verzweifeltes Verlangen, diese Wüstenwelt hinter zu lassen, ebenso, und auch Leias anspruchsvolle Art, Chewies feige Momente und 3POs Frustration werden authentisch dargeboten. Wäre im Spiel der Darsteller auch nur ein Ansatz von Ironie gewesen, hätte das aus meiner Sicht die Wirkungskraft des Films geschmälert. Und auch in der Musik des Films gibt es keine Ironie: Die Lebensfreude des Films kommt darin zum Ausdruck, die Süße und Romantik. Aber ich finde nicht, dass die Filmmusik sich an den Zuschauer wendet und ihm verstohlen zuzwinkert.
Den ersten drei Filme der Saga wohnte ein besonderer Geist inne, weil die Figuren waren wer sie waren, nämlich Archetypen, und weil diese Filme so viele Rückbezüge auf die Filmgeschichte enthielten, so wie Luke, der sich den Sonnenuntergang ansieht, als hätte es ihn in einen John-Ford-Western verschlagen. Man darf darin sicher ein Kennzeichnen dieser jungen Wilden unter den damaligen Regisseuren sehen, zu denen George Lucas zählte. Haben auch Sie mit solchen Rückbezügen gespielt?
Es gibt einige kleine, dumme, versteckte Anspielungen, ja, aber mir war schon sehr früh klar, dass alles eine Frage des Standpunkts war: Man pflanzt nicht einfach ein Raumschiff, einen Sternenhintergrund oder einen Wüstenplaneten in diesen Film, sondern man muss sich Fragen dazu stellen: Wer ist die Person, die das Ganze beobachtet? Wie steht diese Person zu diesem Hintergrund oder Objekt? Was fürchtet sie? Was löst Verzweiflung bei ihr aus? Meines Erachtens kann man sich in Anspielungen ertränken, aber für das Publikum zählt letzt, sich tatsächlich an der Seite der Personen auf der großen Leinwand zu fühlen und deren Erfahrungen mitzuempfinden. Und dann ist es eben nicht einfach ein Wüstenplanet, sondern für Dich vielleicht der verzweifeltste Ort der Welt, und dieses Raumschiff ist nicht einfach ein Raumschiff, sondern vielleicht ist das der heldenhafteste, größte Moment in Deinem Leben. Mit all dem muss ich ständig kämpfen, um wirklich sicherzugehen, dass diese Einzelelemente nicht einfach nur Museumsstücke sind, die wir noch einmal völlig unnötigerweise in Szene setzen, sondern dass wir diese Elemente einsetzen, weil das Ganze ein echter Krieg der Sterne ist und mann diese Elemente einsetzen muss. Alles muss für die Figuren in diesem Film tatsächlich entscheidende Bedeutung haben.
Es ist eine Sache, Regisseur eines Krieg-der-Sterne-Films zu sein. Eine andere ist es, Max von Sydow Anweisungen zu geben. Hat Sie das eingeschüchtert?
Es war phantastisch. Er ist ein sehr freundlicher Herr. Als wir das erste Mal miteinander ins Gespräch kamen, hatte er noch keine E-Mail-Adresse, also musste ich ihm etwas zufaxen. Ich versuchte damals, ihn zu beeindrucken und ihn dazu zu bringen, mitzumachen, also zeichnete ich von Hand eine Titelseite, auf der Fax von Sydow stand.
Ich glaube nicht, dass er es lustig fand, aber er selbst war wunderbar. Und das war wirklich interessant, denn normalerweise wäre ich bei dem Gedanken, einem Schauspieler wie ihm Anweisungen zu geben, zur Salzsäule erstarrt, denn jemand wie er durchschaut einen doch sicher sofort. Aber er war ein absoluter Gentleman, und die Arbeit mit ihm war unglaublich einfach.
Es war leider nötig, dass er häufig bis in die Nacht hinein arbeitete, und er hat das absolut professionell mitgemacht. Er und seine Frau waren beide wunderbar. Und als wir Abschied voneinander nahmen, sagte er mir, es gäbe in seinem Heimatland eine traditionelle Art und Weise, jemandem ein Kompliment zu machen. Nun habe ich nie versucht herauszufinden, ob das auch stimmte, aber jedenfalls: Er trat mir in Form einer Segensgeste buchstäblich in den Hintern. Und ich dachte nur: Wow, Max von Sydow hat mich gerade getreten. Das ist wirklich toll.
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