Drei große Krieg-der-Sterne-Feiertage gibt es in diesem Mai: Den 4. Mai als Tag der Saga, den 14. Mai als 70. Geburtstag ihres Schöpfers und den 25. Mai als Premierentag des ersten Kinofilms. Den zweiten dieser Feiertage wollen wir heute in alter Tradition begehen: Mit besten Glückwünschen an George Lucas für ein Lebenswerk, das uns bis heute begeistert und der Welt eine neue Art gab Filme zu drehen, und einem Zeitreiseartikel, der uns in den April 1977 zurückführt, als das Magazin "American Film" dem noch ungeborenen Krieg der Sterne eine Titelgeschichte widmete, die mit all ihren Zweifeln und Misstönen perfekt zum Schöpfer unserer Lieblingssaga passt:
George Lucas fliegt aus der Reihe
George Lucas ist sauer.
von Stephen Zito
Der Mediensprecher von Krieg der Sterne rät zwei Werbegrafikern wieder zu gehen, weil Lucas sie an diesem Tag nicht sehen will. Einer beschwert sich, dass sie einen Termin hätten, aber das spielt hier keine Rolle: Lucas ist nicht gut aufgelegt, und wenn Lucas unzufrieden ist, wird er nicht laut, sondern zieht sich zurück, schmollt und will mit niemandem reden. Manchmal legt er sich auch einfach ins Bett.
Die Vorführung der neuesten Aufnahmen ist nicht dazu angetan, seine Stimmung zu verbessern. Mehrere Spezialeffekte müssen neu gemacht werden, womit sein Film noch einen Tag hinter den Zeitplan zurückfällt.
Es ist kein guter Tag, ein Interview mit ihm zu führen. Lucas will nach Hause nach San Anselmo, einer Stadt vor den Toren von San Francisco. Er hat ganz sicher keine Lust, mit einem Schreiberling von der Ostküste zu reden. Wir fahren zu einem Hamburgerrestaurant in Van Nuys und schweigen uns an. Der Ort passt zur Lucas: Kein Schnickschnack, kein Anspruch, einfach nur altmodisches amerikanisches Junkfood. Er ist nicht der Typ für große Auftritte. Lucas ist seine Privatsphäre heilig. Einmal wurde er in einem Restaurant erkannt und kam nie wieder.
George Lucas ist ein Mann voller Widersprüche. So klein und schmächtig er auch sein mag, hat er doch die Präsenz eines größeren Mannes. Mit 32 ist er für Hollywood-Verhältnisse beinahe noch ein Kind, und doch ist er genau die Art Mensch, der man 8 Millionen US-Dollar seines Anlegervermögens anvertraut, um einen Science-Fiction-Film zu drehen. In einer sehr öffentlich zelebrierten Branche, ist er ein sehr privater Mensch. Er lebt so weit von Hollywood entfernt wie nur irgend möglich und pendelt hin und her, als ob er ein Aussätziger wäre. Er ist mit einem Wort jemand, der will, dass alles so läuft, wie er es möchte.
Lucas behauptet, nur ungern mit der Presse zu tun zu haben, aber er kann gut reden. Dem Zufall überlässt er dabei allerdings nichts: Er gewährt einem auch nicht den kleinsten Blick in sein Leben.
Er ist einer der erfolgreichsten Filmemacher einer neuen Generation von Hollywood-Regisseuren, allesamt clevere junge Leute, die es in die Filmbranche schafften, ohne die Erfahrung mitzubringen, die Hollywood einst von seinen Regisseuren verlangte. Andere aus seiner Generation sind Francis Ford Coppola, John Milius und Steven Spielberg.
Filme sind für Lucas ganz klar nicht nur eine Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen: Sie sind sein Leben. In erster Linie ist er ein Filmemacher, der seinen Weg in das Hollywood-Studiosystem fand, indem er als Francis Ford Coppolas Assistent an Liebe niemals einen Fremden arbeitete. Coppola hat ihm viel über das Schreiben und die Führung von Schauspielern beigebracht. Er hat Lucas' ersten Film THX 1138 produziert und seinen Einfluss geltend gemacht, um Lucas dabei zu helfen, die Finanzierung für American Graffiti einzufädeln. THX 1138, die erweiterte Fassung eines von Lucas' Studentenfilmen, war an den Kinokassen ein Fehlschlag und bei den Kritikern kein allzu großer Erfolg, wurde dafür aber schnell zu einer Art Kultfilm. American Graffiti, sein zweiter Film, wurde von den Kritikern positiv aufgenommen und ist bis heute eine der kommerziell erfolgreichsten Produktionen in der Geschichte des Films.
Was passiert mit einem Menschen, der einen der größten Kinoerfolge überhaupt hinlegt? Nun: Alles. Er kann seine Verträge frei aushandeln, tun, was er will, so viel ausgeben, wie er möchte, und alles selbst bestimmen. Er kann sogar alte Rechnungen begleichen. Was ein Regisseur mit so viel Freiheit tut, sagt viel über ihn als Menschen aus. Einige verlieren sich in Selbstverliebtheit, andere werfen ihre Filmbudgets mit vollen Händen zum Fenster hinaus. George Lucas hat den Erfolg von American Graffiti genutzt, um einen 8 Millionen US-Dollar schweren animierten Comicstrip namens Krieg der Sterne zu drehen.
Ein Zyniker hat den Film schon jetzt, bevor er auch nur fertig ist, als American Graffiti im Weltraum bezeichnet. Die Geschichte, soweit sie sich aus Lucas' Drehbuch und dem anspruchslosen Sci-Fi-Roman gleichen Namens zusammenreimen lässt, handelt von den Abenteuern von Luke Skywalker, einem gelangweilten jungen Mann, der mit seiner Tante und seinem Onkel irgendwo im Universum auf einer abgelegenen Farm auf dem Wüstenplaneten Tatooine lebt. Lukes bedeutungsloses, abgeschottetes Dasein gerät in Unordnung, als ihn die Nachricht einer entführten Rebellenprinzessin erreicht und eine Reihe von Abenteuern auslöst. Schon bald trifft er auf eine absonderliche Ansammlung von Begleitern: Einen alten Zauberer, zwei Roboter, den waghalsigen Piloten eines Raumfrachters und einen riesigen Wookie.
Wenn das nun klingt wie der Stoff, aus dem Marvel-Pulp-Fantasy-Comics sind, so trifft dies dem Nagel auf den Kopf. Marvel wird die Geschichte im Frühling sogar in sechs Einzelheften veröffentlichen. Vieles daran wird das kindliche Gemüt faszinieren: Rebellionen und interplanetare Kriege, gewaltige Todesmaschinen, Raumpiraten, schwarze Ritter, Magie und Zauberei, Todessterne, mystische Erlebnisse, komplexe Foltergeräte, mittelalterliche Waffen und eine wilde Lutschlacht über der grauen Oberfläche eines tödlichen Raumtrabanten.
George Lucas versucht erst gar nicht, die Tatsache zu verschleiern, dass sich sein Krieg der Sterne an das Kind in uns allen richtet: "Ich entschied mich, einen Kinderfilm zu drehen und dem Vorbild von Disney zu folgen", erklärt Lucas in seiner gewohnt unsicheren Art. "Fox hasst mich, dass ich das sage, aber Krieg der Sterne war immer als Film für junge Leute gedacht. Das Publikum für Graffiti sehe ich bei 16- bis 18jährigen, bei diesem Film geht es mir um 14jährige. Vielleicht sogar um noch jüngere Zuschauer."
George Lucas hat das Drehbuch geschrieben, Regie geführt und sich bei seiner Geschichte aus den Trümmern der amerikanischen Populärkultur bedient. Er glaubt an sein Kleinjungenabenteuer - und es ist ein tiefer Glaube - und widmet sich seiner Groschengeschichte mit viel Sinn für das Wunderbare und einer beinahe naiven Hingabe. Ursprünglich ließ er sich von der Arbeit von Alex Raymond zu seinem Film inspirieren.
"Ich habe die Comichefte rund um Flash Gordon geliebt", gesteht er zwischen zwei Bissen seines Hamburgers. "Ich habe die Universal-Serie mit Buster Crabbe geliebt. Nach THX 1138 wollte ich einen Flash-Gordon-Film drehen und habe sogar versucht, Kings Features die Rechte daran abzukaufen, aber sie wollten viel Geld dafür - mehr, als ich mir leisten konnte. Und sie wollten die Rechte nicht wirklich abtreten, sondern haben wohl gehofft, dass Fellini einen Flash-Gordon-Film dreht. Gleichzeitig erkannte ich aber, dass ich genauso leicht selbst eine neue Figur schaffen konnte wie Alex Raymond, der sich ja wiederum an Edgar Rice Burroughs anlehnte. Im Grunde ist es ja ein ganz normaler Superheld im Weltraum. Damals wurde mir klar, dass ich in Wahrheit einen zeitgenössischen Action-Fantasy-Film machen wollte."
George Lucas ist ein hingebungsvoller Leser und Sammler von Science-Fiction-Literatur und -Kunstwerken und besitzt unter anderem einige Originale von Alex Raymond. Seine Abenteuer-, Fantasy- und Science-Fiction-Vorbilder haben ihn entscheidend geprägt. "Als Kind habe ich eine Menge Science-Fiction gelesen", erinnert sich Lucas. "Aber anstelle von technischen, auf die wissenschaftliche Seite ausgerichteten Autoren wie Isaac Asimov haben mich eher Leute wie Harry Harrison und der phantastische, surreale Blick auf das Genre interessiert. Damit bin ich großgeworden. Krieg der Sterne ist gewissermaßen eine Mischung aus all diesen Dingen, aber zusammen hat man das noch nie in eine Geschichte gepackt. Und man hat es noch nie verfilmt. Vieles davon stammt aus Western, aus der Mythologie und aus Samurai-Filmen. Alles, was großartig ist, findet sich hier in einem Guss. Man bekommt hier also nicht nur eine Geschmacksrichtung serviert, sondern einen großen, bunten Eisbecher."
Einige neuere Science-Fiction-Filme wie Lautlos im Weltraum, Verschollen im Weltraum oder selbst 2001: Odyssee im Weltraum konzentrieren sich intensiv auf das Wissenschaftliche und spiegeln das wider, was sich aufgrund aktueller technischer und wissenschaftlicher Errungenschaften für die Zukunft prognostizieren lässt. Die Figuren definieren sich über Wahrscheinlichkeiten, Logik und gesunden Menschenverstand. In Krieg der Sterne ist das nicht der Fall. Hier spielt die Geschichte in einer fremden Galaxis, die weder zeitlich, noch räumlich mit unserem Sonnensystem in Verbindung steht. Alles spielt im Land der Phantasie. Dies ist nicht unsere Zukunft: Stattdessen durchtrennt Lucas alle Verbindungen zwischen seiner Geschichte und unserem blauen Planeten.
Auch von der Wissenschaft distanziert sich Lucas: "Alles ist sehr surreal und absonderlich und hat nichts mit der Wissenschaft zu tun", erklärt er über das, was er spöttisch als den Subtext seines Films bezeichnet. "Ich wollte ein Abenteuer im Weltraum erzählen, im Stil von John Carter. Damals dominierte die Science-Fiction noch nicht alles und das ganze Genre war noch nicht so ernst und verwissenschaftlicht. Im Krieg der Sterne geht es mir vor allem darum, die Wissenschaft beiseite zu lassen. Es gibt äußerst komplexe Erklärungen für alles, und häufig erinnert das schon fast an eine Rube-Goldberg-Maschine. Aber das hier ist eine völlig andere Galaxis mit einer völlig anderen Denkweise. Hier basiert nichts auf einer Wissenschaft, in der man sich am Ende doch nur verheddert. Ich will nicht, dass sich dieser Film um irgendetwas dreht, das in Wirklichkeit passieren könnte. Ich will eine Phantasiegeschichte erzählen."
Als Lucas und ich miteinander über Krieg der Sterne sprachen, war absolut nicht abzuschätzen, wie erfolgreich Lucas mit seinem neuen Film sein würde, der tatsächlich wie eine Mischung aus American Graffiti und THX klingt. Lucas hatte bei seinem Film nicht nur volle Kontrolle über den Schnitt seines Films, sondern auch über die Vermarktung und Werbung. Nur wenige Menschen, die an dem Film arbeiteten, und einige wichtige Angestellte des Studios hatten den beinahe fertigen Film zu diesem Zeitpunkt gesehen.
Zum Teil wurde die Geheimhaltung so rigoros durchgehalten, um die innovativen Spezialeffekte unter Verschluss zu halten, zum Teil ist sie aber auch George Lucas' intensivem Kontrollzwang geschuldet, der ihn dazu veranlasst, jeden Aspekt seines Films persönlich zu beaufsichtigen. Er ist ein totaler Filmemacher, ein selbsternannter Künstler, der von Hotrods, vernachlässigten Jugendlichen und der Faszination der Populärkultur besessen ist.
Doch auch wenn es ihm gelingen mag, ein phantastisches Abenteuer für Kinder zu schaffen, das an Klassiker wie Alarm im Weltall und Metaluna IV antwortet nicht heranreicht, wird die vierjährige Arbeit Lucas einen hohen Preis abverlangt haben. Gegen Ende unseres Mittagessens erzählt mir Lucas, dass er an Erschöpfungszuständen, Depressionen und Selbstzweifeln leidet. "Mir war nicht klar, dass es so lange dauern oder so groß werden oder einen so großen Teil meines Lebens einnehmen würde", sagt er wie jemand, dem das Schicksal einen üblen Streich gespielt hat.
Vier schwierige Jahre liegen bald hinter Lucas. Mit seinem Krieg der Sterne hat er erstmals federführend an einer großen Hollywood-Produktion gearbeitet, mit vielen Schauspielern und Mitarbeitern, bei der ein Regisseur immer mehr sein muss als nur ein Filmemacher: Er muss Diplomat sein, Feldmarschall und Kindermädchen. Das größte Problem für Lucas war aber wohl, dass ihm zwar ein großes Budget zur Verfügung stand, aber doch kein ausreichendes.
"Der Film hat viel Geld gekostet", sagt Lucas über Krieg der Sterne, "aber er ist doch unterfinanziert. Die Arbeitsintensität ist deshalb so groß wie bei einem Roger-Corman-Film, nur um das hundertfache gesteigert. Wir haben nicht den Luxus eines wirklich großen Films: Wir haben keine Zeit, um alles richtig zu machen. Alles ist ein Kompromiss, alles wird nur ebenso grade geschafft, alles dreht sich um die Entscheidung, das eine zu tun und dafür etwas anderes sein zu lassen. Das zehrt an einem.
Man sagt sich ständig, 'ich kann das nicht machen' oder 'das sieht schrecklich aus, aber wir werden es nehmen', und das ist eigentlich die Einstellung, die man bei einem 700.000-US-Dollar-Film hat: 'Macht es einfach irgendwie.' Das tun wir nun auch, nur brauchen wir dafür vier Jahre. Das Härteste dabei ist, dass wir seit dem eigentlichen Produktionsstart - im Mai ist der zwei Jahre her - eigentlich durchgängig und gnadenlos 7 Tage die Woche, 16 Stunden am Tag gearbeitet haben. Einige Monate lang kann man das machen, aber spätestens nach einem Jahr läuft man zunehmend auf dem Zahnfleisch."
Lucas zögert nicht zuzugeben, dass seine Probleme bei Krieg der Sterne das Ergebnis seiner chronischen Unfähigkeit und mangelnden Bereitschaft sind, Aufgaben und Verantwortung abzugeben. Er wollte alles selbst machen - schreiben, Regie führen, produzieren, anleiten, schneiden, drehen. Er kann nur schwer loslassen. "Ich bin das Ergebnis der Filmemacher-Philosophie: Wir machen alles selbst", erklärt Lucas. "Ein Autor und Regisseur muss an allem beteiligt sein. Ein anderes System anzunehmen, in dem andere Menschen etwas für mich tun und ich das absegne, fällt mir schwer. Sollte ich weiter solche Filme drehen, muss ich das lernen.
Ich habe viele Freunde, die das können, und ich bewundere sie dafür. Francis [Coppola] macht das jetzt gerade durch, und er lernt es endlich auch selbst. Ihm ist jetzt klargeworden, dass er nicht alles selbst machen kann. Er hat begonnen, das traditionelle System anzunehmen: 'Ruft mich an, wenn es fertig ist.' Und dann sollte es möglichst das sein, was man wollte. Ist es das nicht, muss es noch einmal gemacht werden, und man muss bereit sein so viel Geld dafür auszugeben, wie eben nötig ist, um es richtig zu machen. Aber dann muss man auch bereit sein, richtig teure Filme zu drehen. Billige Filme lassen sich so nicht machen.
Würde ich nur einen Tag nicht auftauchen, würde hier alles auseinanderbrechen, und das liegt nur daran, dass ich es so aufgebaut habe. Und es gibt nichts, was ich daran ändern kann. Die Prozesse wurden nicht dafür geschaffen, dass ich etwas mal nicht tun könnte. Wo immer der Damm zu brechen droht, muss ich da sein, um ihn zu stützen. Ich muss wohl lernen, andere damit zu beauftragen."
Die Hauptdreharbeiten seines Films endeten im vergangenen Sommer in Tunesien und in England, wo 45 Kulissen in 11 Studiohallen errichtet wurden. Seitdem wurden die über 100.000 Meter Film geschnitten und mit den Spezialeffekten vermischt, die für Lucas in einem zweistöckigen Lagerhaus in Van Nuys entstehen, wo Industrial Light & Magic zuhause ist, eine Organisation von Technikern, die speziell zu dem Zweck geschaffen wurde, um den Krieg der Sterne mit Effekten zu versorgen. Diese Arbeit hat viel Geld gekostet und war unglaublich schwierig.
Das Meiste davon wurde von jungen und vergleichsweise unerfahrenen Leuten gemacht, anstatt von erfahrenen Meistern ihres Fachs wie Linwood Dunn und Douglas Trumbull. Hintergrund dieser Entscheidung war einmal mehr Lucas charakteristischer Pragmatismus: Mit jungen Mitarbeitern hat er mehr Kontrolle über die Spezialeffekte, als wenn er einen erfahrenen Experten angestellt hätte, der seinen eigenen Stil ebenso eingebracht hätte wie seine eigene Herangehensweise und Technik.
"Wenn man Trumbull für die Spezialeffekte engagiert, liefert er einem seine Spezialeffekte", erklärt Lucas. "Das hat mich sehr nervös gemacht. Ich wollte in der Lage sein, sagen zu könne: 'Es muss so aussehen, aber nicht so.' Ich will nicht, dass man mir nach fünf Monaten eine Effektaufnahme in die Hand drückt und sagt: 'Hier ist Ihr Spezialeffekt.' Ich will mehr Einfluss nehmen können. Das ist eine sehr binäre Geschichte: Entweder macht man es selbst, oder man hat nichts zu sagen.
Vom technischen Standpunkt vergleicht man immer alles mit 2001: Würde man eine unserer Aufnahmen neben eine von Kubricks halten, würde man danach sagen, 'nun, seine sind besser'. Aber in unserem Zeitrahmen und mit unserem Geld hätte Kubrick nie und nimmer etwas besseres hinbekommen. Er wollte perfekte Aufnahmen und konnte pro Einstellung 30mal so viel Zeit, Geld und Material investieren wie wir. Natürlich sieht das Ergebnis dann besser aus. Wir sind in dieses Projekt mit der Maßgabe hineingegangen, einen billigen Kinderfilm für 8 Millionen US-Dollar zu drehen. Wir haben uns nie hingestellt und gesagt, dass wir den perfekten Science-Fiction-Film machen werden. Stattdessen werden wir den spektakulärsten Film machen, den die Welt je gesehen hat!"
Das "wir", von dem George Lucas manchmal spricht, meint vor allem Gary Kurtz, den Produzenten von Krieg der Sterne und, wie andere Mitarbeiter des Films, ein alter Freund von Lucas, dem er vertrauen kann. Die Wahrheit ist, dass Lucas nicht viele neue Freunde hat: Ihn kennenzulernen, ist schwierig. Kurtz' Aufgabe besteht unter anderem darin, Lucas' inoffizieller Consigliere zu sein, der den Zugang zu Don Lucas beschränkt, Gefälligkeiten und Interviews verteilt, Probleme beseitigt und die Wogen glättet. Er ist Lucas' Freund, Vertrauter, Stimme und Faust. Wenn Lucas redet, hört Kurtz zu. Erst nachdem Lucas nach San Anselmo zurückkehrt, haben Kurtz und ich Gelegenheit, miteinander zu sprechen. Er erklärt mir, dass er und Lucas in einer Art raubeiniger Harmonie zusammenarbeiten.
"Wir haben ein recht lockeres Arrangement getroffen. Die Funktion eines Produzenten besteht im Grunde darin, all die Werkzeuge und Mittel bereitzustellen, die ein Regisseur braucht, um das zu tun, was er will, bzw. das, was er innerhalb der zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten tun kann. Ich bin außerdem eine Art Resonanzboden für alles, was zu besprechen ist. Beim Krieg der Sterne ist unser Arrangement etwas formeller als bei Graffiti. Damals hatten wir gerade einmal 18 Leute angestellt; wenn Krieg der Sterne in die Kinos kommt, werden 900 Menschen daran mitgewirkt haben. Je größer ein Film ist, desto weniger Zeit bleibt, um sich mit den kleinen Dingen zu befassen. Bei einem kleinen Film kann man eigentlich alles selbst machen."
Die meisten Probleme, die während der Produktionszeit in England und Tunesien entstanden, musste Kurtz lösen. Er war für die Auswahl der meisten britischen Mitarbeiter zuständig, einschließlich Gil Taylors - der Kameramann, der zuvor an Stanley Kubricks Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben, dem Beatles-Film Yeah Yeah Yeah und Alfred Hitchcocks Frenzy mitwirkte - und John Spears', der für die Spezialeffekte vor Ort zuständig war. Eine besonders glückliche Mannschaft war das selten: Lucas kam nicht mit Taylor aus und entließ sogar einen Schnitttechniker, mit dem er nicht konnte.
An die Drehbedingungen in England hat sich Lucas die ganze Zeit über nicht gewöhnt. Seine britischen Mitarbeiter bestanden darauf, um 17:30 Uhr Feierabend zu machen, und Lucas fühlte sich wie ein Fremder in einem fremden Land. "Wir hatten mehrere Probleme", erinnert sich Gary Kurtz. "George war dort nicht besonders glücklich, er ist generell nicht gerne von zuhause weg. Viele kleine Sachen stören ihn dann, und das fängt schon bei Lichtschaltern an, die in die andere Richtung ausgeschaltet werden. Alles ist anders genug, um einen aus dem Gleichgewicht zu bringen."
Kurtz musste deshalb häufig den Feuermann spielen und zwischen dem introvertierten Lucas und seinen ausländischen Mitarbeitern vermitteln. "In jedem Filmteam dreht sich am Ende alles um die richtige Chemie", meint Kurtz. "George ist kein besonders umgänglicher Mensch. Er bemüht sich auch nicht besonders darum, auf Menschen zuzugehen. Er braucht immer eine ganze Weile, um jemanden so gut kennenzulernen, dass er ihm seine Probleme anvertrauen kann. Deshalb arbeitet er lieber - und besser - mit Menschen, die er schon kennt."
Diese Einschätzung, dass sich George Lucas dann am wohlsten fühlt, wenn er etwas bereits gut kennt, ist allgemein zu verstehen: Geht es darum, bestimmte Stile und Artefakte der Kulturgeschichte zusammenzumischen oder zu verändern, ist er ein Meister seiner Kunst. Lucas und Kurtz funktionieren gewissermaßen wie zwei begeisterte Sammler: Der Krieg der Sterne besteht aus kleinsten Teilen und Teilchen der verwertbaren Vergangenheit. In der Nachbearbeitung stürzten sich die Modellbauer von Industrial Light & Magic auf diverse Modellbaukästen, um deren Einzelteile zu Raumschiffen zweckzuentfremden. Stücke von Traktoren, Autos, Panzern und einem Ford Galaxy 500 XLs wurden von ihnen weltraumtauglich weiterverwertet.
Diese gesamtkünstlerische Art des Recyclings vergangener Kulturerzeugnisse ist nirgendwo sichtbarer als in der gigantischen Raumschlacht, die die letzten zwanzig Minuten des Films dominieren wird. Die Sequenz besteht buchstäblich aus kleinsten Szenen alter Kriegsfilme.
"Bevor die Storyboards fertig waren, nahmen wir jeden Kriegsfilm mit Flugzeugen auf Videokassette auf, der im Fernsehen kam", berichtet Kurtz. "Am Ende hatten wir eine umfassende Sammlung alter Kriegsfilme, von Mai 1943 – Die Zerstörung der Talsperren und Tora! Tora! Tora! über Luftschlacht um England und Düsenjäger bis hin zu Die Brücken von Toko-Ri, Kampfgeschwader 633 und gefühlt 45 weiteren Filmen. Wir haben sie uns alle angesehen und uns Szenen ausgesucht, die wir dann als Vorlage für die Schlacht auf Film übertragen haben.
All das haben wir dann zu einer großen Kampfsequenz zusammengeschnitten, um ein Gefühl für die Bewegungsabläufe zu bekommen. Das war ein ziemlich seltsam aussehender Film, komplett in Schwarz-Weiß und auf schlechtem 16mm-Material. Ein Pilot sagte irgendetwas, dann sah man ein Flugzeug, dann Explosionen und Abstürze. Insgesamt bot es einen ziemlichen guten Eindruck von der Schlacht, zumindest was die Gesamtatmosphäre und den Ablauf anging."
Den Zusammenschnitt zeigten Lucas und Kurtz dann ihren Spezialeffekttechnikern und Künstlern, die auf Grundlage des Quasi-Films Storyboards anfertigten. "Es ist sehr einfach, mit der Hand eine Flugzeugbewegung nachzumachen", meint Kurtz und führt ein Flugmanöver vor. "Diese Bewegung dann aber so umzusetzen, wie John Dykstra und seine Leute das mit den Modellen gemacht haben, ist sehr, sehr schwierig."
Das System, mit dem die Spezialeffekte entwickelt wurden, wurde von John Dykstra gebaut, der von Douglas Trumbull persönlich bei der Arbeit an Filmen wie Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All und Lautlos im Weltraum ausgebildet wurde. Er schuf ein spezielles, computergesteuertes System, um die über 350 Spezialeffekte im Film umzusetzen. Den Kern seiner Schöpfung findet man in einem Hinterzimmer des Lagerhauses: Eine riesige Kamera auf Schienen, angetrieben von leistungsstarken Motoren und gesteuert von einem Computer. Jede Einstellung wird in den Computer einprogrammiert und dann mehrfach durchlaufen, um die verschiedenen Modelle nacheinander identisch zu filmen. Das komplexe System ermöglicht es Dykstra, mit Modellen Spezialeffekte zu drehen, die am Ende aussehen, als wären sie absolut echt.
Dykstra und Lucas kamen nicht immer gut miteinander aus. Eines ihrer größten Probleme war die Kommunikation: Bei Spezialeffekten gibt es immer einen Unterschied zwischen der ursprünglichen Intention und der späteren Umsetzung. Das Konzept und die Verwirklichung sind selten eins. Lucas wurde manchmal wütend, wenn das fertige Material nicht so authentisch oder dynamisch war, wie er es wollte.
"Regisseure und Effektverantwortliche sind sich nie einig", meint Dykstra. "Er stellt sich etwas vor, aber ich weiß, was ich umsetzen kann. Das größte Problem bei diesem Projekt bestand darin, dass wir umsetzen mussten, was George konzeptionell vorgab. Vom ersten Tag an sprachen wir über komplexe Aufnahmen aus Kriegsfilmen, in denen sich die Flugzeuge drehten, rollten, nach den Seiten ausbrachen oder einfach nur geradeaus fliegen konnten. All das kann man auf Film bannen, wenn man vor Ort mit echten Maschinen arbeitet. Für uns war das in Form von Spezialeffekten mit mehreren Schiffen, Planeten im Hintergrund und Sternen eine ganz andere Herausforderung, weil wir einen Weg finden mussten, dreidimensionale Bewegungen auszuführen, mehrere Einstellungen miteinander zu verknüpfen und die Perspektive zu halten.
Es ist schwierig, jemandem zu erklären, dass sein Konzept nicht funktionieren wird, weil die Technik nicht mitmacht, und das wird dann leicht zu einem Streitpunkt. Wenn ein Regisseur an seinem Drehort filmt, sieht er die Beleuchtung, seine Kameraeinstellungen, die Schauspieler und die Dialoge direkt. Bei uns sieht er nur eine Kamera, die ein einziges Modell abfilmt. Man muss bei uns in der Lage sein, räumliche Zusammenhänge abzuschätzen, ohne sie zu sehen, und man muss sich vorstellen können, dass aus 5 Minuten Drehzeit gerade einmal 5 Sekunden fertiges Material werden. Was wir hier tun, hat fast schon mehr mit Zeichentrick zu tun, als mit irgendetwas anderem.
George muss mir also vertrauen, dass ich in der Lage bin, die Zeichnungen und Schwarz-Weiß-Aufnahmen richtig zu interpretieren, und das ist nicht so einfach. Ich weiß nicht, ob ich das an seiner Stelle könnte. Und das ist eines unserer größten Probleme."
Trotz ihrer Differenzen respektiert Dykstra Lucas aber für seine Konzentrationsfähigkeit, seine Besessenheit für perfekte Lösungen und seine Liebe zu jedem kleinsten Einzelbild aus Krieg der Sterne.
"Das Tolle an George ist seine Hingabe. Er steckt tief drin in diesem Film und hängt richtig daran. Er ist in einigen Fällen extrem stur, aber wenn er falsch liegt, ändert er seine Meinung auch, anstatt zu sagen: 'Ich bin der Regisseur, ich habe entschieden, und dabei bleibt es.' Er hat Geschmack. Er weiß, was die Menschen sehen wollen, und die Leute mögen, was er macht: Es ist voller Energie, schnell und hat Humor. Krieg der Sterne wird von vorne bis hinten ein aufregender Film. Die Luftschlacht am Ende des Films wird einen so umhauen wie die Verfolgungsjagd in Brennpunkt Brooklyn."
Bei unserem Mittagessen hatte ich Lucas gefragt, was er sich von seinem Film erhofft.
"Anstatt einen wütenden, gesellschaftlich relevanten Film zu machen, habe ich vor Jahren erkannt, dass es eine Relevanz gibt, die noch viel wichtiger ist", hatte er gesagt. "Träume und Phantasien, die Kinder dazu zu bewegen, daran zu glauben, dass es mehr im Leben gibt als Müll und Mord und das Stehlen von Radkappen. Man kann auch einfach nur still dasitzen und von exotischen Ländern träumen und von seltsamen Wesen. Je mehr ich mich mit Krieg der Sterne befasste, desto klarer wurde mir, dass wir all das verloren hatten. Eine ganze Generation ist ohne Märchen großgeworden. Man erzählt sie nicht mehr, und dabei stecken die tollsten Dinge der Welt in Abenteuern in fernen Ländern. So etwas macht einfach Riesenspaß.
Ich wollte ein modernes Märchen erzählen, einen Mythos. Zu einem mystischen Märchen gehört aber immer ein exotisches, weit entferntes Land, und die haben wir auf unserem Planeten nicht mehr. Sie sind alle verschwunden. Die Wunder des Ostens gibt es nicht mehr, genauso wenig wie Schatzinseln oder geheimnisvolle Abenteuer.
Aber es gibt mit dem Weltraum eine größere, noch geheimnisvollere Welt, die viel interessanter ist als alles, was wir hier haben: Wir haben gerade erst den ersten Schritt gewagt und können nun sagen: 'Seht! Dort draußen geht es noch ewig weiter.' Man kann überall hingehen und auf jedem Planeten landen."
Keine Frage: George Lucas geht ein enormes Risiko ein. Er hat den Erfolg von American Graffiti genutzt, um die Träume und Phantasien seiner Kindheit auf Film zu bannen. Er hat 8 Millionen US-Dollar in ein Genre investiert, dessen Filme für gewöhnlich so billig wie möglich gedreht werden und entsprechend schäbig aussehen. Die einzige Frage, die jetzt noch über den Krieg der Sterne zu beantworten ist, ist eine sehr alte, die schon gefragt wird, seit die Brüder Wright ihr seltsames Ungetüm erstmals nach Kitty Hawk brachten: "Aber wird er auch fliegen?"
Ja! :-)
Seite 1
Darth Jorge
MeisterTalan
DerAlteBen
STARKILLER 1138
Redakteur
DerAlteBen
Olli Wan
"Träume und Phantasien, die Kinder dazu zu bewegen, daran zu glauben, dass es mehr im Leben gibt als Müll und Mord und das Stehlen von Radkappen." Das trifft es für mich genau Geschichten die größer sind als das was wir kennen und die Phantasie von Kindern und Erwachsenen beflügeln.
Danke für den Einsatz eine solche Saga zu erschaffen.
Happy Birthday und alles Gute
AaylaSecura
Alles Gute, George!
Danke an SWU für Artikel und Übersetzung
"Wir sind in dieses Projekt mit der Maßgabe hineingegangen, einen billigen Kinderfilm für 8 Millionen US-Dollar zu drehen. Wir haben uns nie hingestellt und gesagt, dass wir den perfekten Science-Fiction-Film machen werden. Stattdessen werden wir den spektakulärsten Film machen, den die Welt je gesehen hat!""
loener
Redakteur
Anakin 68
hardcase
@Anakin 68
Du hast beinahe 1:1 das geschrieben, was ich auch schreiben wollte
Ich bin wirklich froh, dass es George Lucas gibt und dass er uns all dies hier gegeben hat.
Star Wars ist für mich das Interessanteste, was diese Welt zu bieten hat und George Lucas hat mein Leben dadurch in vielerlei Hinsicht positiv geprägt.
Danke George!
Danke auch an SWU, für die tolle Übersetzung!
(zuletzt geändert am 14.05.2014 um 20:31 Uhr)
MasterOfForce
Ich mag es alte Artikel zu lesen. Den heutigen Artikel fand besonders schön. Wieder mal habe ich etwas neues über Lucas und die Filme erfahren. Mich hat einiges überrascht was George Lucas angeht. Dass, er seine Arbeit ungerne teilt und er ausschließlich seine Ideen umsetzen möchte, klingt einbisschen egoistisch. Aber ich kann ihr verstehen. Auch ich denke und würde so handeln wie er. Fanziniert war ich hingegen von seiner Hingabe für den Film. Tag und Nacht arbeiten. Und das Monate lang. Das ist sicherlich hart. genauso berührt es mich, was Lucas den Kindern schenken wollte.
George Lucas,
ich wünsche dir alles gute zum Geburtstag und danke für ein Meisterwerk, dass mein Leben jeden Tag erfreut
(zuletzt geändert am 15.05.2014 um 15:04 Uhr)
General
hardcase
Hier ist noch ein aktuelles Interview mit Lucas. Zwar "nur" von der Bild-Zeitung, trotzdem recht informativ. Zusätzlich gibt´s noch ein paar nette Outtakes aus Episode IV.
http://www.bild.de/unterhaltung/leute/george-lucas/der-sternenkrieger-feiert-70-geburtstag-35972476.bild.html
Anakin 68
Seite 1
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