Den of Geek hat ein bis dato unveröffentlichtes Interview mit Jedi-Regisseur Richard Marquand aus dem Jahr 1984 online gestellt:
Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie erfahren haben, dass Sie beim dritten und letzten Kapitel der Saga vom Krieg der Sterne Regie führen würden?
Ich war ein großer Bewunderer von George Lucas' Arbeit; American Graffiti und Krieg der Sterne fand ich wirklich toll. Schon deshalb war mir klar, dass ich in einer freundschaftlichen und partnerschaftlichen Atmosphäre arbeiten würde. Außerdem bin ich ein Riesenfan von Krieg der Sterne. Ich liebe des Geschichte und diese Figuren wirklich sehr. Für mich war es ein wenig so, als hätte ich als junger Mann Beethovens Musik lieben gelernt und würde nun die Chance bekommen, diese Musik mit den Londoner Symphonikern zu spielen.
Es ist natürlich auch eine Menge Angst dabei, aber auch das gehört dazu. Und man fühlt, dass man jetzt seine große Chance bekommt. Man weiß, wie alles sein soll, man weiß, was man tut oder findet es zusammen mit dem "Orchester" heraus. Es war insgesamt einfach ein tolles Gefühl.
Was war aus Ihrer Sicht Ihr Beitrag zum Krieg der Sterne? Was haben Sie Ihrem Film gegeben, das in den anderen beiden Teilen nicht vorkam?
Ich glaube, ich sollte zunächst etwas erwähnen, das viele Leute in Sachen Krieg der Sterne häufig zu vergessen scheinen: Der erste Krieg der Sterne hat gerade jungen Leuten auf der ganzen Welt viel bedeutet, und mit jung meine ich vor allem Sechs- bis Zehnjährige. Und die sind älter geworden. Als Das Imperium schlägt zurück herauskam, waren sie ein ganzes Stück reifer geworden, und als ich Die Rückkehr der Jedi-Ritter machte, waren sie erwachsen.
Mein Sohn ist in etwa im gleichen Alter und mit Krieg der Sterne großgeworden. Er war meine direkte Verbindung zur Saga. Und ich denke, das war es auch, was ich den anderen Regisseuren voraus hatte: Sie haben sich mit einer jüngeren Generation befasst, während ich ein Stück Ernsthaftigkeit liefern konnte, die in Krieg der Sterne fehl am Platz gewesen wäre, weil das jüngere Publikum die gar nicht verstanden hätte. Ich konnte die kleineren Kinder mit den Ewoks begeistern und ihnen all dieses Zeug geben, damit sie sich sicher fühlen, aber gleichzeitig konnte ich den Jugendlichen auch geben, was sie wollten: Spannung und Schauwerte, aber auch echte Beziehungen und glaubhafte Emotionen. Das steckte meines Erachtens schon immer in Krieg der Sterne, aber ich konnte es in den Vordergrund stellen. Und das ist etwas, das Die Rückkehr der Jedi-Ritter meines Erachtens mehr als die anderen Filme besitzt. Wobei ich die nicht kritisiere, ich denke nur, sie waren dafür noch nicht bereit.
Und [Irvin Kershner] war für den mittleren Teil ideal geeignet, für diesen dunklen, verstörenden, fast schon leidvollen Film. Das passte perfekt zu Kershner, der im persönlichen Gespräch zwar sehr unterhaltsam ist, aber sich im Geiste immer wieder mit seinen Sorgen und Ängsten befasst. George war der perfekte Regisseur für den ersten Teil, weil er versteht, wie Gags funktionieren. Er hat ein gutes Gespür für die Handlung, aber vor allem liebt er diese kleinen Gags und Witze. Und ich war meines Erachtens der Richtige für den dritten Teil, weil ich die großen Tugenden liebe: Loyalität, Freundschaft, Liebe.
Und Happy Ends?
Ja, die liebe ich auch. (lacht)
Wie war es mit all diesen Robotern und maskierten Gestalten zu arbeiten? Es muss schwierig sein, Gefühle herauszuarbeiten, wenn die Darsteller in diesen Masken stecken?
Vor Krieg der Sterne hatte ich eigentlich nur im Theater mit Masken gearbeitet. Maskierte Figuren haben mich immer fasziniert, weil man nicht wirklich weiß, was dahintersteckt, aber seine eigenen Emotionen hinter diese Maske projezieren kann. Aber direkter hatte ich mit Masken eigentlich nie zu tun.
Beim Film dreht sich dann eigentlich alles um Nahaufnahmen, und es gibt eigentlich nichts ausdrucksleereres als eine Nahaufnahme von Darth Vader. Es gibt auf den ersten Blick noch nicht einmal einen Grund, überhaupt einen Schauspieler hineinzustecken. Gleichzeitig versteht man als Zuschauer aber eben, dass jemand unter diese Maske ist, und in dem Moment hat man die Chance, eine emotionale Wirkung zu erzeugen. Zumindest wenn die Bewegung stimmen. Wenn man hart an solchen Einstellungen arbeitet, funktioniert es auch.
Ähnlich sieht es bei den Robotern aus. Man muss versuchen, einen gewissen Realismus zu erzeugen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Folterdroide im Verließ. Den haben wir in London entwickelt. Er kann sich aufstellen, er spricht, er gestikuliert, seine Augen leuchten, sein Mund bewegt sich. Er ist im Grunde ein sehr einfaches Produkt, aber ihn Wirklich erscheinen zu lassen, war entscheidend.
Auch bei Jabba war es so: Im Grunde ist er nur dieser riesige Haufen, der da völlig tot herumliegt. Dann schlüpfen Schauspieler hinein, und wir drehen. Und mit einer Menge Korrekturen, Geschrei, Videotests und so weiter wird er zu etwas, das wir erkennen würden, wenn wir ihm auf der Straße begegnen. Aus einem Konstrukt wird ein Wesen mit echter Dimensionalität. Aber es ist wirklich schwer.
Das größte Problem war R2-D2. Ein echter Graus. Aber sobald jemand in ihm steckt, verwandelt er sich und ist großartig.
War das Problem, dass er nicht sprechen kann?
Ja. Man muss dem Nachbearbeitungsprozess vertrauen. Bei R2-D2 ist der ganz entscheidend, weil Ben Burtt all diese Geräusche und Laute hinzufügt. Man weiß also in etwa, dass etwas komisch werden wird, aber wie genau, sieht man erst ganz am Ende.
Wenn man R2-D2 nur mit seinem Elektromotor laufen lässt, ist er ein echtes Tier. Er ist der dreisteste und ungehobelste Schauspieler, mit dem man nur arbeiten kann. Manchmal dreht er sich einfach um und rollt aus dem Raum. Wobei ich klar sagen muss: Ich mag ihn, denn am Ende überzeugt er einfach.
Aber viele Leute, die Science-Fiction-Filme gedreht haben, haben erst spät oder gar nicht begriffen, dass man viel Arbeit investieren muss, damit das Endergebnis echt aussieht. Und tut es das nicht, funktioniert der Film insgesamt nicht. Wenn man das Ganze nichts ernstnehmen kann, ist es die Mühe nicht wert. Man muss an die Wirklichkeit des Ganzen glauben können. Viele Kritiker und Ewiggestrige haben überhaupt nicht verstanden, worum es geht. Sie glauben noch immer, dass es nur ein besserer Comicstrip ist und reiner Kinderkram.
Gibt es eine Art von Film, die Ihnen besonders liegt?
Ich finde, was all meine Filme abgesehen von meiner Beteiligung verbindet, ist, dass sie alle Herzensgeschichten erzählen. Ich schätze, ich bin ein sehr romantischer Mensch. Die Werte, die mir wichtig sind, sind nicht unbedingt intellektueller Natur. Für politische Zwecke würden sie sich vermutlich nie eignen. Aber sie haben mit Vertrauen, Treue und Freundschaft zu tun. Das ist es, was mir letztlich liegt. Der wirkliche Ausdruck ehrlicher Gefühle ist mir sehr wichtig.
Und häufig bietet einem das Kino das nicht. Man bekommt nur Zerrbilder, Vorgespieltes... Diese ganze "guter Kumpel"-Mentalität. Aber es fehlt der Moment, in dem sich Menschen einander offen zuwenden. Wie das in Krieg der Sterne passiert. Oder wie es in Die Nadel oder Liebe ohne Ausweg vorkommt.
Solange ich solche Filme machen kann, interessiert es mich wenig, ob es nun Science-Fiction-Filme oder einfach kleine Liebesgeschichten sind.
Würden Sie sagen, dass Sie so etwas wie einen klaren, eigenen Stil haben? Was ist es, das einen "Richard-Marquand-Film" ausmacht?
Darüber habe ich schon oft nachgedacht, und ich weiß es wirklich nicht. Meine Art, Filme zu machen, ist recht seltsam und anders als das, was die heutige Generation von Filmemachern in Amerika produziert. Persönlich schaue ich mir Filme an, um unterhalten zu werden. Ich bin aber kein Filmexperte. Ich habe keine Ahnung, wer als Beleuchter an Casablanca gearbeitet hat. Mein Sohn wüsste das wohl. Er weiß alles, was man nur wissen kann.
Was ich sicher weiß, ist, was mir an Filmen nicht gefällt. Und ich weiß aus rein technischer Perspektive, was meine Filme anders macht. Wenn man sich die drei Krieg der Sterne-Filme ansieht, sieht man, dass sie sehr unterschiedlich sind. Ihr Aussehen, ihr Umgang mit der Handlung und der Kamera sind sehr verschieden.
Ich liebe es, unglaublich einfach zu bleiben. Wenn ich meine Arbeit gut mache, sieht es so aus, als ob alles einfach wäre, als ob die Kamera fast überhaupt keine Rolle gespielt hätte. Aufdringliche Schaueinstellungen gefallen mir nicht. Ich finde es schön, wenn es aussieht, als ob ich mich quasi in den Raum geschlichen und mitgefilmt hätte. Und ich arbeite sehr eng mit den Schauspielern zusammen, was vielen Regisseuren auch nicht liegt.
Sie gelten tatsächlich als Schauspieler-Regisseur.
Viele Schauspieler merken wohl, dass ich Ihnen zugeneigt bin, wobei das allein auch nicht unbedingt gute Darstellerleistungen oder Filme hervorbringt. Viele Schauspieler beschweren sich aber darüber, dass Regisseure nicht mit ihnen kommunizieren. Sie beklagen sich richtig, dass sie nicht wissen, wie der Film funktionieren soll. Es ist einfach eine andere Arbeitsweise. Ich persönlich erkläre meinen Schauspielern gern, wie sie sich präsentieren sollten.
Gibt es Regisseure, die Sie besonders beeinflusst haben?
Es gibt ein paar, ja. Wobei ich diese Regisseure häufig mag, weil ich nicht so arbeiten kann wie sie. Fellini ist da so ein Beispiel. Ich halte ihn für einen großartigen Regiseure, und gleichzeitig könnte ich diese Arbeitsweise eines wahnsinnigen Genies nie nachempfinden. Auch Steven Spielbergs Filme gefallen mir sehr gut, und auch hier liegt das teilweise daran, dass ich nie tun kann, was Spielberg tut. Meine Sicht auf das Leben ist nicht so wie Steves.
Das also sind Beispiele für Regisseure, die ich mag, aber nicht nachempfinden kann.
Ein Regisseur, den ich bewundere und teilweise nachahme ist David Lean, der auch eine unglaubliche Einfachheit besitzt. Er hat ein phantastisches Auge. Man sieht sich seine Filme an und weiß vielleicht nicht, dass es Lean-Filme sind, aber man weiß, dass es Filme einer Gruppe von vielleicht vier oder fünf Regisseuren sind, deren unbestreitbarer König Lean ist. Seine frühen Schwarz-Weiß-Filme haben ein phantastisches Aussehen, eine große Leidenschaft und eine wunderbare Einfachheit. In Lawrence von Arabien und Die Brücke am Kwai gab es mitreißende Geschichten ohne große Schaueffekte und auf einfachste Weise präsentiert. Die Kamera schien gar nicht einzugreifen. Das sind wirklich fabelhafte Geschichten, die von einem gefühlsoffenen Menschen erzählt wurden.
[...]
Glauben Sie, dass Sie jemals wieder für das Fernsehen arbeiten werden?
Ich liebe das Fernsehen. Ein Grund, wieso es so toll ist, ist, dass viele Menschen zusehen. Ein Grund, wieso es häufig schlecht ist, ist, dass die Leute nicht wirklich zusehen. Wenn man mit den Menschen kommunizieren will, ist es besser, sie dazu zu bringen, aus dem Haus zu gehen, sich Eintrittskarten zu besorgen und im Dunkeln einen Film zu sehen. Sie sitzen dann dort und müssen sich etwas stärker konzentrieren. Was das Fernsehen beeinträchtigt, ist, dass es in einem gut beleuchteten Zimmer konsumiert wird und immer viele Leute dazwischenreden.
Dennoch hat mich das Fernsehen viel gelehrt. Ich habe viele Dokumentarfilme gedreht, was mir enorm dabei geholfen hat, mich an einen Ort zu begeben, die Schauspieler einzuweisen, die Kamera zu positionieren und zu versuchen, das gewünschte Material zu bekommen. Aber für mich ist das Fernsehen ein echtes Problem. Ganz ehrlich.
Woran werden Sie als nächstes arbeiten?
Mein nächster Film wird von Columbia Pictures produziert, die Hauptrolle spielt Glenn Close [Marquand spricht von Das Messer (1985), Anm. d. Red]. Sie ist eine grandiose Schauspielerin, die Sie vielleicht schon aus Der große Frust und Der Unbeugsame kennen. Ich habe sie auch schon auf der Bühne gesehen. Sie spielt eine Anwältin, die keine Strafsachen mehr bearbeitet, weil sie es abscheulich findet. Sie übernimmt die Verteidigung eines Mannes, dem Verbrechen von der Art eines Charles Manson zur Last gelegt werden. Der Film behandelt insgesamt eine hochdramatische Gerichtsbeziehung.
Danach drehe ich einen richtig großen Science-Fiction-Film. In den wird aber noch eine ganze Menge Vorbereitungszeit fließen.
Was für eine Art von Science-Fiction-Film?
Die Geschichte wird eher in der Welt eines Blade Runner oder Alien zuhause sein als in einer Fantasy-Welt wie Krieg der Sterne.
Spielt er in ferner Zukunft?
Ich denke schon. Aktuell arbeiten nur der Autor und ich an den Vorbereitungen. Entsprechend wird es eine Weile dauern, weil wir auch hier auf maximale Glaubhaftigkeit und Realität setzen wollen. Wir wollen, dass die Geschichte tatsächlich auf einer Art von Realität aufbaut.
Und der Film basiert auf einem Buch?
Oh nein, er erzählt eine eigenständige Geschichte.
Könnten Sie sich vorstellen, auch ins Theater zurückzukehren?
Absolut, das würde ich sehr gerne tun. Ein wenig sieht man das in Die Rückkehr der Jedi-Ritter. Der Film hat teilweise etwas bühnenhaftes, das ich einbringen konnte, etwas von einer Oper. Ich liebe diese großen Theaterszenen, die Auftritte und Abgänge und großen Momente.
Wie Darth Vaders Mantel, der im Wind weht?
Ja, genau so etwas. Oder auch die ganze Ewok-Schlacht in diesem magischen Wald mit den langen Einstellungen und engen Nahaufnahmen. Das war schon sehr... opernhaft.
Und nun sollen Sie Interesse an der Regie einer der kommenden Krieg der Sterne-Vorgeschichten haben?
Das stimmt. Eins, Zwei und Drei werden interessant werden. Sofern George jemals wieder zum Schreiben kommt. Steven [Spielberg] und ich würden gerne Regie führen. Das ist ein sehr interessanter Teil der Saga, diese frühen Tage. Die Jugend von Ben Kenobi und Anakin Skywalker ist sehr wichtig. Und die Welt ist ganz anders, die Technik ist anders, die Kommunikationsmethoden sind anders. Die Gemüter bewegen andere Dinge. Aber ich fürchte, bis zu den Filmen wird viel Zeit vergehen. Das ist einfach eine Tatsache, mit der wir umgehen müssen. Aller guten Dinge sind drei, und alles was ist, endet. So ist nun einmal das Leben. Aber unsere Kinder werden diese Filme wohl zu sehen bekommen.
Richard Marquand selbst war dieses Erlebnis bekanntlich leider nicht vergönnt: Der junge Regisseur von Die Rückkehr der Jedi-Ritter starb im September 1987 im Alter von gerade einmal 49 Jahren.
Seite 1
Seite 1
RSS-Feed für diesen Kommentarthread abonnieren
RSS-Feed für alle Kommentare