Schon seit Monaten ist die Zeit für umfangreichere Zeitreisen leider nicht mehr gegeben, aber zum Blu-ray-Start - und, wie weiter unten klar werden wird, auch zum Stichwort Realserie - wollen wir noch einmal in die Vergangenheit surfen, genauer gesagt in den April 1990, als das Millimeter Magazine über große Veränderungen bei Lucasfilm berichtete:
Auf der Skywalker-Ranch, seinem einstigen Zufluchtsort und heutigen Unternehmenssitz in Marin County, macht George Lucas in Jeans von der Stange und Turnschuhen einen unscheinbaren Eindruck. An diesem Ort - mit dem weißen Haupthaus in einem grünen Tal, das unbefahrene Wege durchziehen, die zu kleineren Gebäuden führen, dem Stall, der Remise, dem Torhaus und dem Bachhaus - ist "Hollywood" weit, weit entfernt. Hier scheint es nur passend, dass Lucas erklärt, die Schaffung von erfolgreichen Filmen "war nichts, das ich für mich erwartet hatte. Nie. Für mich war das im Grunde undenkbar."
Doch verschiedene Anpassungen seiner Lebensplanung haben den notorisch öffentlichkeitsscheuen Produzenten und Regisseur zu einem äußerst öffentlichen Menschen werden lassen. Nach mehr als einem Jahrzehnt, in dem Lucas' Weg nach festen Bahnen verlief - und das die Krieg der Sterne-Trilogie und die Indiana-Jones-Filme hervorbrachte und Lucasfilm zu einem profitablen Großunternehmen mit mehreren Tochterfirmen machte, das inzwischen definiert, wo die vorderste Front in der Entwicklung der amerikanischen Filmindustrie verläuft - ist Lucas bereit, sich neuen Zielen zu widmen. Und wenn Lucas beschließt, seine Energie auf neue Projekte zu lenken, ist es Zeit, aufzuhorchen.
"Ich will unabhängiger operieren", erklärt er. "Ich werde wieder Filme machen, und die Firma wird als Firma ihren Weg gehen. Schon in den letzten Jahren habe ich mich Stück für Stück von ihr entfernt, und die [einzelnen Abteilungen] sind mehr als nur in der Lage, über ihre eigene Zukunft zu bestimmen. Alle Unterabteilungen sind auf ihrem jeweiligen Feld die Besten der Besten; sie arbeiten sich auf Gebiete vor, mit denen ich nicht mehr vertraut bin."
Als Regisseur hat George Lucas nur drei Filme begleitet: THX-1138, American Graffiti und Krieg der Sterne. Doch seine Vorstellungskraft hat, unbeeindruckt von technischen Schranken, ein Segment der Filmindustrie hervorgebracht, wo alte Grenzen angesichts neuer und verbesserter Spezialeffektlösungen keine Bedeutung mehr haben. Zwar waren nicht alle Lucas-Projekte erfolgreich (Willow konnte nur durchschnittliche Einnahmen erzielen, Howard the Duck war schlicht und ergreifend eine totale Enttäuschung), doch sein kreativer Einfluss - als Produktionsleiter von Das Imperium schlägt zurück, Die Rückkehr der Jedi-Ritter, Jäger des verlorenen Schatzes, Indiana Jones und der Tempel des Todes und Indiana Jones und der letzte Kreuzzug - beschränkt sich nicht auf das Filmgeschäft, sondern hat die amerikanische Psyche durchdrungen.
Lucas beschreibt die Filme, die er ursprünglich drehen wollte, als "alternative Filme im Stile symphonischer Dichtungen". Ihm war allerdings klar, dass er mit Berufung allein kein Geld verdienen konnte. Nachdem er an der Filmakademie der Universität von Südkalifornien seinen Abschluss gemacht hatte, "dachte ich mir, ich würde nach San-Francisco zurückgehen, um Filme zu drehen, die denen von James Broughton [der Patriarch der Independent-Szene von San-Francisco, der Filme wie Mother's Day und The Bed drehte] und den anderen Jungs, die hier oben arbeiten, ähneln würden. Danach glaubte ich, ich würde als Dokumentarfilmer und Schnitttechniker Arbeit finden. Das wollte ich machen, daran hing mein Herz."
Vielleicht war "die Macht" schon mit ihm, bevor ihm Krieg der Sterne überhaupt einfiel. Ein Praktikum brachte Lucas mit Francis Ford Coppola zusammen. "Er spornte mich dazu an, schreiben zu lernen, und er ist die Art Regisseur, die mit Schauspielern arbeitet", so Lucas. "Ich habe auf diesem Wege ein ganz neues Gebiet kennengelernt und auf diesem Wege begonnen, Drehbücher zu schreiben. Irgendwann bekam ich dann die Chance, eines davon umzusetzen, und so wurde ich zum Kinoregisseur."
Sein erster Ausflug ins normale Filmgeschäft war 1971 THX-1138, eine erweiterte Fassung seines gleichnamigen, preisgekrönten Science-Fiction-Kurzfilms von 1967. "THX war damals der kinotauglichste Film, den ich machen konnte. Und er landete zwischen allen Stühlen, den experimentellen Filmen, die ich gemacht hatte, auf der einen Seite und dem, was ich für klassische Erzähltechniken hielt auf der anderen. Daraus entwickelte sich dann die Herausforderung, etwas wirklich normales zu machen, einen ganz normalen Film, der lustig war und gute Figuren zu bieten hatte. Vor diese Herausforderung wurde ich gestellt, und ich sagte mir: 'Klar, ich kann das hinkriegen.' Also habe ich American Graffiti gedreht, und der wurde so erfolgreich, dass mir in diesem Moment klar wurde, dass ich auf diese Weise mein Geld verdienen konnte."
Diese Aussage mag gut und gern die Untertreibung des Jahrtausends sein. Die liebevolle Nostalgie und der scharfzüngige Humor von American Graffiti fingen den Geist der späten 50er und frühen 60er Jahre genau ein und waren an der Kinokasse ein Riesenerfolg. Mit seinem nächsten Projekt, Krieg der Sterne, knackte er dann den Jackpot. In dem Film lieferten sich außerirdische Wesen einen mythischen Kampf zwischen Gut und Böse, stritt das Gute auf einem intergalaktischen Schlachtfeld gegen seinen mächtigen dunklen Feind. In Lucas' Universum gingen die Außerirdischen zur Entspannung einen heben, beherrschten phantastische Flugmaschinen die Sternensphären und summten Lichtschwertklingen in der Nacht. Um seine Ideen umzusetzen, ließ Lucas das filmische Handwerkszeug seiner Zeit hinter sich.
"George Lucas klopfte bei den Überresten der alten Effektstudios an und hörte überall das Gleiche: 'Keine Chance, die Technik gibt es nicht her. Sie müssen wohl träumen.'" So beschreibt Rose Duignan, die Marketingchefin von Industrial Light & Magic, der Spezialeffektabteilung von Lucasfilm, die Lage vor Krieg der Sterne. Deshalb versammelte Lucas eine Gruppe junger, technisch einfallsreicher Leute unter Leitung des Effektspezialisten John Dykstra um sich, um neue Geräte zu entwickeln, mit denen die nötigen computergesteuerten Einstellungen produziert werden konnten. Nach zwei Jahren und für den Preis von über 2 Millionen USD waren die gröbsten Probleme aus der Welt geschafft. Als Krieg der Sterne 1977 die Kinos stürmte, erweckte der Megaerfolg die sterbende Kunst der Spezialeffekte zu neuem Leben. Computer und Kameras verschmolzen miteinander zu "Motion Control", und das VistaVision-Format fand neue Anhänger.
1981, nach der Krieg der Sterne-Fortsetzung Das Imperium schlägt zurück und der Lucasfilm-Produktion Jäger des verlorenen Schatzes, begann ILM damit, auch firmenfremde Projekte zu übernehmen, darunter Der Drachentöter, Poltergeist, Star Trek II: Der Zorn des Khan und E.T. - Der Außerirdische. 1983 war der dritte Teil der Krieg der Sterne-Trilogie, Die Rückkehr der Jedi-Ritter, in Arbeit, und die Effektabteilung arbeitete wieder exklusiv für Lucasfilm. Über 500 Einstellungen wurden für den Film fertiggestellt, über 200 Menschen arbeiteten daran. 1984 öffnete sich ILM erneut fremden Projekten und erwarb sich noch mehr weltweites Ansehen. 11 Oscarnominierungen, neun Oscars und vier Sonderpreise für herausragende technische Leistungen waren der Lohn. In diesem Jahr wetteiferten gleich zwei ILM-Projekte, Abyss - Abgrund des Todes und Zurück in die Zukunft II um einen Oscar.
In Lucas' Reich ist ILM heute nur eine Abteilung unter vielen. Lucas selbst stutzt auf die Frage, wieviele es insgesamt davon gibt und schätzt schließlich, dass es wohl etwa 16 sein müssten, darunter in der Öffentlichkeit eher unbekannte wie die Spieleabteilung, Learning Systems, LucasArts Luminaire, LucasArts Attractions, LucasArts Licensing und die sichtbareren Gruppen THX und Skywalker. "Bis zu einem gewissen Zeitpunkt habe ich die Entwicklung des Unternehmens sehr genau kontrolliert, weil ich nicht wollte, dass es wächst, da mir das nicht genug Zeit gelassen hätte", erklärt Lucas, der versucht, nur drei Tage pro Woche zwischen 11 Uhr vormittags und 4 Uhr nachmittags zu arbeiten. Er selbst gibt allerdings zu: "Das funktioniert nicht immer.", meint aber, "Ich arbeite nicht mehr so hart wie früher."
Doch "das Unternehmen wird immer größer", so Lucas, "und um effektiv weiterwachsen zu können, werden wir es aufspalten. Der Geschäftsbereich, auf den ich mich hauptsächlich konzentriere, die Produktion von Kinofilmen also, gerät dadurch in meine engere Einflusszone. Die anderen Teile des Unternehmens sollen wachsen und gedeihen, und deshalb lasse ich sie gewissermaßen von der Leine."
Das allerdings bedeutet nicht, dass sie den Weg von Pixar gehen werden, das 1986 an Steve Jobs verkauft wurde. Der ursprüngliche Zweck der Computerabteilung war es, Hardware für die Grafikabteilung von ILM zu entwickeln sowie Computertechnik wie EditDroid für andere Teile des Unternehmens. "Sobald diese Technik entwickelt war, brauchten wir keine Abteilung mehr, die Computerhardware herstellte", so Lucas, "also haben wir sie verkauft."
Der EditDroid hat seine eigene Geschichte. Der erste Versuch, das auf optischen Platten fußende Schnittsystem am Markt zu platzieren, scheiterte vor drei Jahren. Eine überarbeitete Version ging dann Anfang des Jahres an den Start. "Wir beschlossen, dass es keinen Sinn hatte, den EditDroid auf klassische Weise [durch den Verkauf] zu vermarkten. Also ließen wir es sein und entwickelten einen neuen EditDroid [der nur angemietet werden kann]. Die neue Version ist dem Original weit überlegen, und wir werden weiterhin versuchen, [ihn an Produktionsfirmen zu vermieten]. Das macht es einfacher, ihn zu warten und die Qualitätskontrolle sicherzustellen, was ein echtes Problem darstellte, als wir noch versuchten, ihn einfach zu verkaufen."
Ausgangspunkt der technischen Entwicklungen von Lucasfilm sind die allgemeinen Ziele seines Gründers: Die kreativen Werkzeuge für Filmemacher zu erweitern und zu verbessern. Und genau wie die ursprünglichen Entwicklungen von ILM ein Nebenprodukt von Lucas' eigenem Bedarf bei Krieg der Sterne waren, haben seine Anfänge als Schnitttechniker die Räder in Richtung EditDroid in Bewegung gesetzt.
"In der Nachbearbeitung ermöglichen es einem Geräte wie der EditDroid, schneller zu arbeiten. Man verliert weniger Zeit mit dem plumpen Schneiden von Filmmaterial und hat deshalb mehr Zeit für den eigentlichen Filmschnitt", sagt Lucas. "Das Vokabular [des Filmemachers] wird dadurch nicht erweitert, aber es ist für ihn einfacher, seine Arbeit zu leisten, wenn er sich nicht mit stumpfsinnigen Nebenbeschäftigungen herumschlagen muss."
Doch genau wie Lucas' persönliche Interessen sich nicht auf Filme beschränken, beschränkt sich auch Lucasfilm nicht auf die Arbeit an Kinoprojekten. Lucas' Interesse an der Bildungsfrage veranlasste ihn, sich mit interaktiven Lernsystemen zu beschäftigen. "Bildung und Ausbildung haben mich schon immer interessiert, und ich habe auch seit jeher Bildungseinrichtungen unterstützt", erklärt Lucas, der die Entwicklung interaktiver Lösungen schon seit Jahren vorantreibt. "Die Zeit ist reif für einen funktionstüchtigen Prototypen, damit den Menschen die Möglichkeiten dieses Mediums endlich klar werden." Das Interactive-Projekt hält er insgesamt für mehr oder weniger nicht gewinnorientiert.
Das erste größere Produkt, das aus der Learning-Systems-Abteilung hervorging, entstand in Zusammenarbeit mit Apple Computer und National Geographic. "GTV: A Geographic Perspective of American History" wurde im Februar von der National Geographic Society veröffentlicht und besteht aus zwei Videodisks und einer Begleitsoftware, die es den Nutzern ermöglicht, aus den Videobildern kurze Sendungen zu erstellen, die bestimmte Themen behandeln. Craig Southard, der Chef von Lucasfilm Learning Systems erklärt dazu: "Das Tolle daran ist Showmaker, eine Art Einsteiger-Videoschnittsystem."
Showmaker kann auf 1600 Bilder und einige Hundert Landkarten zugreifen, um daraus Videopräsentationen zu erstellen, die mit einem Textverarbeitungsprogramm kommentiert werden können. "Die meisten Schulen verfügen bereits über Computer, aber die wenigsten nutzen deren Möglichkeiten voll aus", meint Southard. Produkte wie GTV und ähnliche Projekte, die Lucasfilm für die Audubon Society und das Smithsonian entwickelt, widmen sich dem Potential von Computern als Bildungswerkzeuge. Ebenfalls auf dem Plan steht die Entwicklung eines Lernsystems für den Geschäftsbetrieb. Southard erklärt, dass Learning Systems "wie viele Abteilungen von Lucasfilm über den Tellerrand schaut und sich andere Geschäftsfelder erarbeitet".
Eine weitere Abteilung von Lucasfilm ist die umfassende Büchersammlung, die in einer getäfelten Bibliothek zuhause ist, welche von einer Kuppel mit Buntglasfenstern gekrönt wird. Zwischen 15.000 und 20.000 Bände stehen hier, in 400 Schubladen liegen Fotos, die bis 1920 zurückdatieren und aus der ganzen Welt stammen. 1987 übernahm Lucasfilm eine "große Studiosammlung aus Hollywood", wodurch sich der Buchbestand mehr als verdreifachte. Seit die meisten Studios nicht mehr über eigene Bibliotheken verfügen, ist die 1978 gegründete Lucasfilm-Bibliothek eine von kaum einer Handvoll derartiger Einrichtungen, die ganz und gar auf visuelle Recherchen ausgerichtet sind. Die Forschungsdirektorin Deborah Fine erklärt dazu: "Recherchen bringen keine Einnahmen. Im Gegenteil, sie verursachen Unkosten, und die Betriebsausgaben kann man nie wieder hereinholen. Deshalb zögern so viele Studios, sich diesen Luxus zu leisten."
In der Hoffnung, sie profitabler zu machen und die Nutzerzahlen zu erhöhen, hat Lucasfilm die eigene Bibliothek Außenstehenden geöffnet und unterstützt jedes Projekt bei der Recherche, egal ob es dabei um eine Kinoproduktion geht oder um einen Werbefilm. Zu den Nutzern zählen Kameraleute, die um Abzüge der Arbeiten eines bestimmten Künstlers nachsuchen, künstlerische Leiter, die für eine bestimmte Epoche oder einen bestimmten Ort visuelles und textliches Anschauungsmaterial finden wollen, sagen wir für die Lower East Side von New York um die Jahrhundertwende, Drehortfahnder, die nach dem marokkanischen Ort mit der höchsten Moscheendichte suchen, Drehbuchautoren, die inspirierende Einzelheiten zu einem bestimmten Thema brauchen oder ganz einfach: ILM-Modellbauer, die für die Kreation phantastischer Wesen visuelle Vorlagen suchen.
Aber auch wenn nicht jede Aktivität von Lucasfilm allein durch das Gewinnstreben bedingt wird, schreibt das Unternehmen schwarze Zahlen. 1988 steigerten sich die Einnahmen aus der Produktion von Kinofilmen um 75 Prozent, 1989 um weitere 70 Prozent. Eine ganze Reihe von Faktoren war für diesen Erfolg verantwortlich: 1988 beispielsweise waren für Falsches Spiel mit Roger Rabbit mehr Effektaufnahmen nötig als für alle Krieg der Sterne-Filme zusammen. Das jedenfalls berichtet Scott Ross, der Vizepräsident und Hauptgeschäftsführer von ILM. Und neben den wirklich großen Projekten, an denen ILM mitwirkte, gab es auch noch Nichteffekt-Filme wie Tucker - Ein Mann und sein Traum (bei dem ILM die Splitscreen-Einstellungen beratend begleitete) und Die Reisen des Mr. Leary (für den ILM Einstellungen für die Titelsequenz kreierte), bei denen das besondere Händchen von ILM in einem realeren Kontext gefragt war.
Trotzdem, sagt Ross, "stellen wir fest, dass viele Studios und viele Produzenten und Regisseure nicht verstehen, was wir tun und wie wir es tun. Für sie stellen [Spezialeffekte] einen erschreckenden blinden Fleck dar." Und er fügt hinzu: "Wir sagen den Regisseuren und Autoren, dass sie ihre Drehbücher nicht auf Basis ihres Verständnisses für die Technik schreiben sollen, sondern sich ungebunden kreativ austoben sollten." Denn auch wenn ILM von Betriebs wegen für Spezialeffekte zuständig ist, sieht Ross "unsere Aufgabe darin, visuelle Effekte aus einem Film herauszuhalten". Außerdem will ILM bei den zeitlichen Erwartungen für mehr Transparenz sorgen. "Es ist, als würde man Vincent Van Gogh sagen, er solle Sternennacht noch einmal malen, nur diesmal bitte in Rot und bis morgen früh. [Spezialeffekte] sind eine Kunstform. Man kann sie nicht mal so eben von heute auf morgen abliefern."
Die komplexesten, zeitraubendsten und revolutionärsten ILM-Effekte, so Lucas, hätten mit der Computergrafikabteilung zu tun, die aus Pixar entstanden ist und die Arbeit fortführt, die dort begann. Nancy St. John, die Produktionsleiterin und Managerin der Computergrafikabteilung (die erst kürzlich von der Pharmafirma PDI zu Lucasfilm gewechselt ist), findet, dass die meisten Regisseure "nicht wissen, wie eine Kamera im Innern funktioniert, aber sie haben Selbstvertrauen und geben ihrem Kameramann deshalb Anweisungen. Um ihre Arbeit zu machen, müssen sie auch gar nicht mehr wissen. Dummerweise kommen sie aber zu uns und denken sich, 'Himmel hilf, jetzt muss ich wissen, wie man programmiert'. Stimmt nicht, sie brauchen das überhaupt nicht. Alles, was sie den Tricktechnikern und den technischen Leitern sagen müssen, ist, was sie eigentlich wollen. Und wir überlegen uns dann, wie man das hinbekommen kann."
Doch nicht nur die generelle Vorgehensweise will ILM der Industrie verständlich machen, sondern auch die Fähigkeit, Spezialeffekte zeitlich und finanziell zu planen. Und das nicht nur für die Filmindustrie, denn ILM wendet sich zunehmend auch und gerade an die Nicht-Kino-Welt. Aus dem Unternehmen wird ein organisches Studio, das alle möglichen Kunden bedient und insbesondere Spezialeffekte für die Werbeindustrie produziert.
Lange Zeit gingen bei ILM Anfragen von Werbefirmen ein, bis das Unternehmen schließlich beschloss, darauf zu reagieren. Ursprünglich sollte ILM nur dann Werbespots betreuen, wenn gerade keine Kinofilme anstanden. Damals, so berichtet Scott Ross, der vor zwei Jahren von One Pass Film & Video zu ILM stieß, "herrschte entweder Hunger oder Überfluss. Entweder arbeiteten wir gleichzeitig an acht Filmen oder wir hatten gar nichts zu tun. Wir mussten uns neue Geschäftsfelder erarbeiten, um einen kontinuierlichen Auftragseingang garantieren zu können."
Allerdings wurde entschieden, dass Werbeproduktionen ihre eigene "Mentalität" besaßen und deshalb - abseits der Kinofilme - eigenständig betreut werden sollten. "Uns wurde klar", meint Andrea Merrim, die leitende Studiogeschäftsführerin von Lucasfilm Commercial Productions, "dass Werbefilme nichts sind, dass man mal so eben zwischendurch bewerkstelligen kann. Der ganze Arbeitsablauf ist ein anderer, und auch die Auftragsvergabe läuft anders ab." Schließlich wurde aus der Idee, Werbefilme mit Spezialeffekten zu versehen, viel mehr als nur das. "Wir wollten eine Gruppe hochtalentierter Regisseure anlocken, die alle möglichen Werbefilme machten: Einige mit Spezialeffekten, aber auch viele mit unveränderten Aufnahmen, mit Humor, mit Dialogen und schönen Bildern. Wir wollten das Beste aller Welten bei uns vereinen: Großartige Regisseure (darunter Barry Sonnenfeld, Haskell Wexler und Vilmos Zsigmond) und die beste Spezialeffektfirma weit und breit. Wir hatten einfach das Glück, uns zurücklehnen zu können und zu sagen: 'Hey, machen wir eine Firma auf.'" Und genau das taten sie. Lucasfilm Commercial Productions hat Büros in New York, Chicago, Los Angeles und im Hauptquartier in San Rafael und wird nächsten Monat ein Jahr alt.
Lucasfilm ist inzwischen sogar schon 19 Jahre alt, und der Chef wird zunehmend rastlos. Unabhängig davon, welchen Weg George Lucas bislang beschritten hat, aus seiner Sicht "bin ich weiter in Richtung des unabhängigen Filmschaffens gegangen, wo ich ursprünglich einmal angefangen habe. Jetzt ist es [Zeit für eine Wende], indem ich es der Firma ermögliche, weiter zu wachsen, zu expandieren und aufzublühen, weil sie genau das tun sollte. Mir lässt das mehr Zeit, mich auf die Bildungssysteme zu konzentrieren, die ich entwickele und auf die Filme, die ich schreiben und drehen will. Ich will einfach nur zurück zu dem, was ich einmal angefangen habe."
Sie scheinen die Rolle des Produzenten der des Regisseurs vorzuziehen?
Ich bin nicht lieber Produzent, das ist einfach nur das, was ich dieser Tage so mache. Ich habe da keine bewusste Entscheidung getroffen, sondern ich war als Produzent nur effektiver, weil sich in diesem Bereich in den letzten Jahren für mich Möglichkeiten geboten haben. Irgendwann werde ich zurückgehen und wieder Regie führen, denn im Herzen bin ich Regisseur. Ich habe viele andere Dinge gemacht, aber daran hängt mein Herz.
Viele Ihrer Filme sind in Ihrem Wissen um mythologische Entwicklungen verankert. Ist das ein Bereich, der Sie noch immer interessiert? Ist das etwas, dass weiterhin in Ihrer Arbeit eine Rolle spielen wird?
Ja. Alle Themen, die ich in meinen Filmen behandelt habe, waren solche, die mir emotional etwas bedeutet haben, auf die ein oder andere Weise. Ich mache Filme nicht nur, um Filme zu machen, sondern schaffe mir alles selbst. Ich habe nicht jeden Tag sechs Drehbücher im Briefkasten und sage mir, 'Das hier nehme ich und mache daraus einen Film'. Mir fällt etwas ein, dann gehe ich hinaus und drehe einen Film, schreibe das Drehbuch, begleite den gesamten Prozess. Es ist einfach eine andere Herangehensweise.
Werden Sie noch einmal Filme wie American Graffiti drehen, die eher wirklichkeitsbezogen sind?
Wahrscheinlich ja. Es ist schwer zu sagen, wo die Trennlinie zwischen Wirklichkeit und Phantasie verläuft. American Graffiti, Indiana Jones und Krieg der Sterne könnten alle als Phantasiefilme angesehen werden, obwohl einige davon eher in der Realität verankert sind als andere.
Sie haben eine große Zahl von Kassenschlagern hervorgebracht. Bedeutet Ihnen das etwas?
Nein. Es amüsiert mich eher, dass Menschen meine Arbeit als Synonym für erfolgreiche Filme betrachten. Ich hoffe immer nur darauf, dass ich unterm Strich bei plus/minus Null herauskomme. Natürlich besteht immer die Möglichkeit, erfolgreich zu sein und mehr einzunehmen, aber ich mache keine Filme, um Erfolgsfilme hervorzubringen. Mir geht es darum, gute Filme abzuliefern, und gute Filme haben nunmal Erfolg. Geplant war das allerdings so nicht.
Sie haben einmal erklärt, die Krieg der Sterne-Filme seien so teuer geworden, dass Sie in Zukunft einen Weg finden müssten, um sie wieder finanzierbar zu machen. Haben Sie daran gedacht, die nächsten Filme wie Zurück in die Zukunft II und III direkt hintereinander weg zu drehen?
Nun... Ja. Wenn ich die nächste Krieg der Sterne-Trilogie in Angriff nehme, werde ich alle Drei auf einmal drehen. Das war gewissermaßen von Anfang an der Plan. Und wir haben uns verschiedene Studien angesehen, in denen es um die Finanzierbarkeit von Filmproduktionen geht: Wie könnte all das realisiert werden und wo könnten wir es drehen. Auf der anderen Seite haben wir auch bei ILM die technische Entwicklung vorangetrieben, um die Kosten zu reduzieren. Und wir haben die Nachbearbeitung verbessert. Wenn ich am Ende zu dem Punkt komme, wo ich die Geschichten schreibe und die Technik in Position bringe, und wenn mir die Inflation nicht einen Strich durch die Rechnung macht, glaube ich, dass wir die Filme zu einem angemessenen Preis realisieren können.
Und das heißt in Zahlen?
Etwas unter 35 Millionen Dollar.
Sehen Sie bei Ihrer Arbeit Anwendungsmöglichkeiten für HDTV? Interessieren Sie diese Entwicklungen?
Wir sind daran interessiert. Wir haben hier schon einen Film auf HDTV gedreht, woran ILM beteiligt war. Das ist ein sehr spannender Themenkomplex, der die Zukunft von Film und Fernsehen bestimmen wird. An diesem Punkt wird alles ineinanderfließen, und das elektronische Medium wird am Ende das Zelluloid ablösen. Daran gibt es keinen Zweifel. Jeder, der einmal mit einer altmodischen Schnittanlage gearbeitet hat, weiß, dass es sehr viel einfacher ist, mit Magnetbändern zu arbeiten. Das geht schneller und ermöglicht mehr Flexibilität. Und es wird nicht mehr lange dauern, dann können wir damit die Auflösung von VistaVision erreichen oder die sogar übertreffen. Die Japaner sind uns in allen technischen Fragen aktuell um Lichtjahre voraus. Zelluloid ist ein Konstrukt des 19. Jahrhunderts. Jetzt stehen wir an der Schwelle des 21. Jahrhunderts.
Sprach's und verschwand.
Wer sich jetzt übrigens fragt, ob Lucas vor 21 Jahren tatsächlich HDTV im heutigen Sinne meinte: Jein. Seit den 30er Jahren ist der Begriff des "hochauflösenden Fernsehens" immer mal wieder aufgetaucht, und verschiedene Lösungen wurden auch vorangetrieben. Den Vorsprung der Japaner, den Lucas anspricht, meint das MUSE-Verfahren, ein analoges Übertragungsverfahren, das bis vor wenigen Jahren in Japan Verwendung fand und die SD-Auflösung tatsächlich schon übertraf. Vom heutigen Full-HD - und den kommenden Super-HD-Zeilenzahlen - war man aber noch ein gutes Stück entfernt.
Aus heutiger Perspektive spannender sind insofern nicht so sehr Lucas' erste digitale, bzw. "elektronische" Hoffnungen, sondern vielmehr seine Vorstellungen von der Finanzierbarkeit der Prequels.
1990 wollte er 35 Millionen pro Film ausgeben, Episode I kostete 5 bis 10 Jahre später etwa 115 Millionen Dollar. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Debatten über realistische Zahlen für die Realserie, kann man hier zwei Beobachtungen machen:
1. Zahlen sind angesichts von Inflation und Wechselkursen im besten Fall Momentaufnahmen und sollten nicht zu ernst genommen werden.
2. Lucas' Vorarbeit, gerade auch bei ILM, hat sich bezahlt gemacht. Auf dem technischen Stand und mit den Produktionsmethoden von Jurassic Park (Budget: 63 Millionen, 80 Effekteinstellungen) oder Titanic (Budget: 200 Millionen, 450 Effekteinstellungen) wäre Episode I (2000 Effekteinstellungen) unmöglich realisierbar gewesen.
Man darf insofern sicher sein, dass die Realserie genau wie die Prequels die beim Produktionsstart üblichen Budgets deutlich unterbieten wird, egal ob das dann 5 Millionen, 10 Millionen oder 20 Millionen sind. Lucas wird's schon richten. :-)
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